schuhschnabel

Malerei von Peter Herrmann

PRESSETEXT

Die Galerie LISTROS freut sich in der Einzelausstellung „Schuhschnabel“ neue Arbeiten des Berliner Malers Peter Herrmann präsentieren zu können. „Schuhschnabel“ ist die dritte Einzelausstellung im Rahmen des Ausstellungszyklus – VON DORT BIS HIER II.

Mit dieser, vor drei Jahren begonnenen Ausstellungsreihe, setzen wir auch in diesem Zyklus die Auseinandersetzung mit den Themen Heimat, Migration und der besonderen Situation unserer heutigen Zeit fort. 

Vernissage: Donnerstag 05.11.2015 um 20 UHR
Verlängerte Ausstellungsdauer: 05.11.2015 bis 29.02.2016

Kontakt: mail@listros.de  /  Mobil: 0172 46 38 037


PETER HERRMANN

Herrmann wurde 1937 in Großschönau bei Zittau geboren und wuchs in Dresden auf. Hier arbeitete er bis 1970 unter anderem als Chemigraph, bevor er  1971 als freischaffender Künstler in der Künstlergruppe „Lücke“ aktiv wurde.

Er stammt aus dem Kreis um Jürgen Böttcher (Strawalde), der ihn 1961 in seinem damals verbotenen Kurzdokumentarfilm „drei von vielen“ porträtierte. Zu seinen Mitschülern und Freunden gehören Winfried Dierske, Peter Graf, Ralf Winkler (A.R. Penck) und Peter Makolies. 

Seit 1986 lebt und arbeitet Herrmann in Berlin. Obwohl er bereits 1984 die DDR verließ, gilt er immer noch als DDR-Maler. "Das haftet mir immer an und doch bin ich bis heute ein Außenseiter geblieben ", sagte er einmal in einem Ateliergespräch mit Moritz Schuller.

VON DORT BIS HIER

Zweifelsfrei sind Hermanns Malerei außergewöhnliche Alltagsbilder, die von vermeintlicher Naivität geprägt sind. Und doch sind sie voll zeitlosen Tiefgangs und einer rüttelnden Aussagekraft, die gleichwohl sanft und feierlich berühren.  Sanftheit und Leichtigkeit, würde man meinen, sind die Kräfte, mit denen Hermann seine Pinsel bewegt, wenn er den Zeitgeist, das Konjunkturelle und aber auch die aktuelle Fragen unserer Zeit auf seiner Leinwand bestreicht. 

Im Rahmen des Ausstellungszyklus VON DORT BIS HIER werden Fragen angesprochen wie: 
Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin bewegen wir uns eigentlich? und
Ob und wann wir überhaupt irgendwo ankommen, wenn wir beschließen, weg zu gehen?, die auch bei Herrmann unbeantwortet bleiben. Aber Herrmann liefert uns einen völlig anderen Ansatz im Umgang mit diesen aktuellen Themen. 

Auf den ersten Blick nimmt Herrmann mit dem Titel „Schuhschnabel“ , wie immer spielerisch und ironisch, Bezug auf die Namensgeber der Galerie LISTROS – die äthiopischen Schuhputzer -, aber er macht den Vogel auch zur Metapher für die aktuelle Frage unserer Zeit: Was bewegt Millionen von Menschen, sich auf den Weg nach Europa zu machen?

Die Gründe, aus denen Menschen ihre Heimat verlassen, mögen sicher so vielfältig wie ihre Ausgangspunkte selbst sein. Ob sie aber irgendwann und irgendwo ankommen oder sie dort eine neue Heimat finden werden, das hängt von vielen Faktoren ab. Die Frage, ob und was Kunst in diesem Spannungsfeld überhaupt leisten kann, wollen wir aber erst am 03.12. mit Herrmann in einem Künstlergespräch erörtern.  

HERRMANN GEHÖRT ZU DER KÜNSTLERGRUPPE LISTROS

Die heute nur in Afrika vorkommende Vogelgattung namens Schuhschnabel wird sicher eines Tages auch den Weg nach Europa finden (müssen), wenn Menschen den Lebensraum dieses Vogels nicht mehr respektieren und gar zerstören. Ob dann Deutschland oder doch eher Kroatien das große Ziel für den Schuhschnabel sein wird, und ob der Schuhschnabel mit den Graugänsen, Moorenten und Silberreihern der europäischen Sümpfe zusammen leben kann, wird nur die Zeit zeugen können.

Herrmann gehört mit zu den ersten Berliner Künstlern, die 2003 die ursprüngliche Idee zur Initiative LISTROS mit ihren Arbeiten thematisierten und den Auftakt der Initiative mitgestaltet haben. Heute gehört sein Bild von 2003 mit dem Titel „LISTROS“ zu den Ikonen der Sammlung unserer Galerie. 

Die Vision der Initiative, junge Menschen in Äthiopien („DORT“) moralisch zu unterstützen und zu ermutigen, wo sie noch an eine erfolgreiche Zukunft in ihrer Heimat glauben, bekommt heute wieder eine starke Aktualität. Passend dazu sagte 2008 ein Schuhputzer in Addis Abeba: „Wenn man mir das Arbeiten verbietet, werde ich zum Bandit oder Ausreißer“.

Ich denke, Heimat ist dort, wo man hofft geschützt leben zu können. Auch der Schuhschnabel verharrt lange Zeit in seiner Heimat, an Sumpfgebieten und Seeufern in Afrika, obwohl er wegfliegen könnte. Migration ist nichts anderes als erst dann die Flügel auszubreiten und sich auf die Suche nach einer neuen Heimat zu begeben, wenn Nahrung, Schutz und eine sichere Zukunft gefährdet ist. Ob aber wir letztendlich wegfliegen oder bleiben, hängt auch stark von der Lernfähigkeit der Wohl- und Machthabenden, mit ihrer Übermacht und Überheblichkeit endlich anders umzugehen. 

Denn wir alle haben Flügel, wenn es darauf ankommt, zu fliehen. Und keine Mauer der Geschichte hat bisher geschafft, langfristig dem Vogel den Weg zu sperren. 
Das ist vielleicht die wichtigste Aussage der Ausstellung „Schuhschnabel“.

Dawit Shanko